Rennsaison startet in der Türkei mit Siegen für die Schweiz und Belgien

Reto Indergand ist der erste Sieger auf (fast) europäischem Boden in der Saison 2021. Filippo Colombo holte sich einen Tag später bei der Rennserie in Alanya. Bei den Frauen stand Githa Michiels ganz oben

Während in Spanien alle Rennen bis in zwei Wochen abgesagt sind – die Vorbereitungen für das Rennen in Banyoles nördlich von Barcelona am Wochenende 27. und 28. Februar laufen auf Hochtouren, wie uns der Veranstalter heute bestätigt hat – fanden am östlichen Ende des Mittelmeers gleich vier Rennen statt: zwei im türkischen Alanya und zwei in Israel. Die Israelis waren dabei komplett unter sich – in Israel gelten wegen Corona strenge Einreiseregeln. Das erste Rennen der Trek Series in Mishmar Haemek gewann am Freitag Shlomi Haimy, Zweiter wurde Eitan Levi. Am Sabbat wechselten die beiden die Plätze. Bei den drei teilnehmenden Frauen war beide Male Naama Noyman erfolgreich, jeweils gefolgt von Lianne Witkin (2.) und Gali Weinberg.

Deutlich internationaler war das Feld im türkischen Alanya aufgestellt: 49 Fahrer und 16 Fahrerinnen aus 13 Ländern trafen sich zu zwei Rennen im türkischen Badeort Alanya, wo auch in den kommenden Wochen noch einige Rennen stattfinden werden. Allerdings hat mit einem angepassten Regelwerk der Weltradsportverband dem Punktetourismus letzte Woche einen kleinen Riegel vorgeschoben, sodass die hier (und auch anderswo) erkämpften Punkte zumindest nicht für die Startaufstellung beim Weltcup zählen.

Reto Indergand © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Reto Indergand
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Sieger des ersten Rennens auf der „schnellen und kurvenreichen Strecke“ wurde der Schweizer Reto Indergand vom Giant Factory Offroad Team. „Ich hatte einen guten Start und kam aus Startposition 15 als 5 in die Singletrail Einfahrt. Das war wichtig, da Überholen sehr schwierig war“, berichtete der Urner Familienvater gegenüber acrossthecountry.net. Bald hatte sich auf dem nicht sehr anspruchsvollen Kurs eine Fünfer-Spitzengruppe gebildet, zu der neben Indergand auch sein Landsmann Filippo Colombo (Absolute Absalon-BMC) sowie die drei Franzosen Mathias Azzaro (ebenfalls Absolute Absalon-BMC), Antoine Philippe (Giant Offroad) und Daniel Thibault (Cube Pro Fermentures Sefic) gehörten. In die letzte Runden gingen die beiden Schweizer und Philippe gemeinsam. Am Ende kam es zum Sprint der beiden Giant-Fahrer, nachdem Colombo eine halbe Runde vor dem Ziel die Kette gerissen war. Indergand setzte sich knapp gegen Philippe durch, der dritte Platz ging mit gut einer halben Minute Rückstand an den erst 21-jährigen Azzaro. Colombo wurde mit Rundenrückstand auf Platz 27 gewertet. „Endlich wieder einmal ein Sieg!“, freute sich Indergand. „Das bestätigt mir, dass mein Wintertraining gut war. Ich konnte wichtige Punkte sammeln, die ich als 278 im UCI Ranking auch dringend brauche.“

Silas Graf © Merlin Muth / EGO-Promotion
Silas Graf
© Merlin Muth / EGO-Promotion

Zwei und einen Punkt sammelten auch die beiden besten Deutschen im Peloton: Auf Platz 9 landete Silas Graf (Texpa-Simplon), der sich im Sprint hauchdünn gegen Leon Kaiser (Team Bulls) durchsetzen konnte. „Ich hatte am Start ein bisschen Pech, weil der Lette Martins Blums (CST NL Bafang) unmittelbar vor mir nicht ins Pedal kam“, berichtete Graf aus der Türkei. „Das hat mich zwar weit zurückgeworfen, aber dann konnte ich mich Runde um Runde vorarbeiten.“ Der Dritte der Deutschen U23-Meisterschaften in Obergessertshausen zeigte sich nach dem Rennen „sehr zufrieden“ mit seiner Leistung, „vor allem so früh im Jahr.“ Die Streckencharakteristik passte ihm aber für die Jahreszeit nicht so richtig : „Sehr viele Richtungsänderungen und viele kurze Anstiege sind so früh im Jahr echt hart.“

Leon Kaiser hatte derweil (wie alle anderen auch) mit den vielen Überrundungen zu kämpfen. Die Männer aller Altersklassen ab U19 und die Frauen waren gemeinsam gestartet, dazu auch noch die türkische Nationalmannschaft der Gehörlosen, die natürlich auf besondere Rücksichtnahme beim Überholen angewiesen sind, da sie weder Rufen noch das Geräusch eines Rades wahrnehmen können. „Bei doch ganz gut besetztem Starterfeld musste man dann schauen, wie man an den ersten Überrundeten bereits nach zwei von sieben Runden vorbei kommt“, erzählte Kaiser, der zur Rennmitte einen Sturz verkraften musste, der ihm letztlich ein paar Plätze kostete. Trotzdem zeigte er sich nach der durchwachsenen Saison 2020 zufrieden mit seiner Leistung.

Filippo Colombo © Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
Filippo Colombo
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Der Kurs am Sonntag war dann deutlich mehr nach dem Geschmack von Filippo Colombo, der die Strecke des Vortages ebenfalls als „mehr eine Quer-Strecke“ (also Cyclo-Cross-Strecke) charakterisierte. Am Sonntag erfreuten ihn steile Anstiege und schöne Downhills und der Blick auf Mittelmeer bei angenehmen Temperaturen um die 20 Grad. „Diesmal wollte ich unbedingt gewinnen“, meinte Colombo, der immer noch die Wut über seinen Kettenriss am Tag zuvor im Bauch hatte. „Von der zweiten Runde weg bin ich vorne gefahren, ein schnelles Tempo, bis ich alleine war.“ Colombo zog das hohe Tempo bis zum Schluss durch und gewann nach 1:15:15 Stunden mit sieben Sekunden Vorsprung auf Antoine Philippe und 43 Sekunden auf den Vortagessieger Reto Indergand. Der hatte schon zu Beginn keinen guten Start erwischt: „Ich kam nur als Achter in den Trail. Überholen war noch schwieriger als am Vortag“, berichtete Indergand. Als Colombo mit seinem starken Antritt in der zweiten Runde die Spitzengruppe sprengte, hatte Indergand noch gar nicht zu dieser aufschließen können. „Ein paar Plätze konnte ich noch gut machen. Mit dem dritten Platz bin ich trotzdem zufrieden“, zog Indergand eine positive Bilanz seines Türkei-Trips.

Leon Kaiser © Merlin Muth / EGO-Promotion
Leon Kaiser
© Merlin Muth / EGO-Promotion

„Ich wäre gerne wieder unter die Top Ten gefahren“, meinte Leon Kaiser über seinen zweiten Rennauftritt im Jahr 2021 ein bisschen enttäuscht, auch wenn er bei dem C1-Rennen auch als 14. noch zwei Punkte mit nach Hause brachte. „Die Punkte waren aber gar nicht so mein Ziel“, erzählte er nach seiner Rückkehr: „Ich bin hauptsächlich in die Türkei gefahren, um die Rennen dort als Trainingsrennen zu nutzen, da ja die ganzen kleinen Rennen in der Vorsaison wie z.B. der Bulls Cup alle ausfallen.“

Auch Silas Graf war mit seinem Rennen am Sonntag alles andere als zufrieden, obwohl er am Start zumindest „halbwegs gut wegekommen“ war und sich dann auf den Plätzen 10-15 einsortieren konnte. „Zu dem Zeitpunkt habe ich mich auch noch richtig gut gefühlt.“ In Runde 3 fiel dem Texpa-Simplon-Fahrer dann aber die Kette runter: „Erst hatte es sich so angehört, als wäre sie gerissen“, hatte Graf Glück im Unglück, aber die Gruppe war dann natürlich weg. „Aber eigentlich fühlte ich mich stark genug, dieses Loch wieder zuzufahren.“ Doch ein übler Sturz bremste Graf unsanft aus: „Es hat mich brutal zerkeult“, berichtete er auf dem Weg nach Hause. Mit Schmerzen, „ein paar Prellungen und ein bisschen verlorener Haut“ kämpfte er sich noch auf Platz 17 wieder nach vorne. „Das ist jetzt vom Ergebnis her gar nicht schlecht, aber es gibt halt keine Punkte“, analysierte Graf. „Es wäre halt deutlich mehr drin gewesen.“

Githa Michiels © Merlin Muth / EGO-Promotion
Githa Michiels
© Merlin Muth / EGO-Promotion

Den Rennen der Frauen drückte beide Mal die Belgierin Githa Michiels ihren Stempel auf, auch wenn sie selbst mit ihrer Leistung noch gar nicht richtig zufrieden war: „Ich suche immer noch meinen Rennknopf!“, schrieb sie auf Facebook. Allerdings gewann sie beide Rennen souverän: waren es am Samstag noch 58 Sekunden auf die Zweiplatzierte Tereza Tavruzkova aus Tschechien und 3:10 auf ihre belgische Landsfrau Emeline Detilleux, sprinteten die beiden Verfolgerinnen am Folgetag rund zweieinhalb Minuten nach Michiels Sieg um die Ehrenplätze. Diesmal wurde die Detilleux Zweite.

Einzige deutsche Vertreterin im Damenfeld war Kira Böhm vom Walcher Racing Team. „Für mich war es vor allem sehr wichtig, dass ich mich wieder fit und gut auf dem Rad fühle“, sagte die 19-Jährige gegenüber acrossthecountry.net. „Beide Rennen verliefen für mich echt gut und ich bin happy mit meiner Leistung.“ Böhm gelang ein guter Start und konnte die ersten Minuten vorne mithalten, bis sie sich entschied, lieber ihren eigenen Rhythmus zu fahren. „Ich habe versucht, mir jedes Rennen gut einzuteilen, da ich die lange Renndistanz in der Elite noch nicht gewöhnt bin. Beim ersten Rennen hat das gut geklappt, aber beim zweiten Rennen habe ich dann schon gemerkt, dass ich noch müde war vom Vortag. Aber jetzt kann ich mit einem guten Gefühl die nächsten Rennen starten!“

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