Virtual ABSA Cape Epic: Hans Becking und Elisabeth Brandau siegen im Zwift-Wettkampf

„Einen tollen Trainingseffekt“ bescheinigen alle befragten Profis unisono, um dann zu ergänzen: „Aber draußen fahren wir lieber“

41:43 Minuten Treten und Schwitzen waren der Preis für den Sieg für Elisabeth Brandau ( EBE) beim ersten Virtual ABSA Cape Epic, das gestern Abend via Zwift im Internet und damit überall auf dem Globus gleichzeitig ausgetragen werden. 41:43 min auf einem simulierten Mountainbike-Kurs namens „Serpentine 8“ über 26,74 Kilometer und 240 Höhenmeter. Die Schönaicherin setzte sich knapp (+8 sek) gegen die Däne Caroline Bohe vom Ghost Factory Racing durch. Catherine Colyn, Südafrikanische U23-Meisterin auf der Straße 2018 wurde Dritte (+39 sek).

Laura Stigger © Ralf Schäuble / EGO-Promotion
Laura Stigger
© Ralf Schäuble / EGO-Promotion

Mit genau 7:00 min Rückstand erreichte Specialized-Fahrerin Laura Stigger als Siebte das Ziel: „Das war mein erstes Zwift-Rennen“, berichtete das österreichische Nachwuchstalent, das das Rennen im italienischen Andora wegen einer heftigen Erkältung auslassen musste, wie sie acrossthecountry.net erzählte: „Eine ganze Woche lang bin ich nicht auf dem Rad gesessen.“ Um nichts zu riskieren, hat die Siegerin des italienischen Auftaktrennens in Albenga das zweite Rennen an der ligurischen Küste ausgelassen. Stigger hatte schon bald den Kontakt an die Führungsgruppe der Frauen verloren: „Ich hatte einen richtig hohen Puls, aber ich habe den Anschluss nicht mehr geschafft.“ So kämpfte sie gemeinsam mit den 800 Amateur-Sportlern, die sich in der vergangenen Woche in vier Etappen für das große Finale Amateure gegen Profis qualifiziert hatten: „Auch wenn Du nur virtuell andere Sportler vor dir siehst, dann willst Du die natürlich immer überholen. Und andere Sportler springen in Deinen Windschatten und versuchen, an Dir dran zu bleiben: dann trittst Du extra kräftig rein, um sie wieder abzuschütteln“, beschrieb Stigger den Reiz des virtuellen Rennens, das für sie die Vorbereitung auf die Kampthal-Trophy am kommenden Sonntag im österreichischen Langenlois ist.

© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Auch Brandau hatte das Rennen auf der Rolle in ihre Vorbereitung auf den Auftakt zur Bundesliga am Samstag in Krumbach (XCC) und Obergessertshausen (XCO) eingebaut. „Ich hatte ein bisschen mehr Glück als Verstand“, schilderte sie die letzten Kilometer auf der virtuellen Strecke durch die künstliche Landschaft Watopia. Zwei Kilometer vor dem Ziel eröffnete die erfahrene ehemalige Straßen- und amtierende Deutsche Mountainbike-Meisterin den Sprint. „Ich kannte den Kurs nicht, und vielleicht wäre mir ein Anstieg lieber gewesen“, erzählte Brandau vom rennentscheidenden Moment, als sie das Tempo verschärfte. „Das war dann richtiges Rennfeeling“ – vor dem offenen Fenster bei null Grad und einem kräftigen Ventilator: „Ohne den hältst Du so ein Rennen auf der Rolle nicht aus.“

Hans Becking 2017 © Andreas Dobslaff / EGO-Promotion
Hans Becking 2017
© Andreas Dobslaff / EGO-Promotion

Für den Sieger bei den Männern, dem Niederländer Hans Becking vom Team Buff-Scott, ist der Ventilator sogar das entscheidende Element bei einem Zwift-Wettkampf: „Ein starker Ventilator hilft eine ganze Menge.“ Für den 34-Jährigen war es nicht das erste virtuelle Rennen, trotzdem war nach dem Rennen überrascht über seinen Maximalpuls: bis auf 202 Schläge pro Minute konnte Becking sein Herz antreiben, um sich gegen die große sprintende Spitzengruppe durchzusetzen. „Wenn Du gegen andere Fahrer antrittst – und sei es auch nur auf Zwift – dann kannst Du Dich einfach mehr belasten als allein.“ 400 Meter vor dem Ziel attackierte er und konnte so nach 35:53 min den Sieg beim ersten virtuellen ABSA Cape Epic für sich verbuchen. Auf Platz zwei landete zeitgleich sein spanischer Teamgefährte José Maria Sanchez Ruiz, Ben Turner wurde auf dem dritten Rang platziert.

© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion
© Armin M. Küstenbrück / EGO-Promotion

Der Schweizer Janis Baumann (Trek-Pirelli) wurde mit gerade einmal einer Sekunde Rückstand Siebter, sein österreichischer Teampartner im italienischen Team Daniel Geismayr mit zwei Sekunden Differenz auf den Sieger Neunter. Auch Geismayr hat schon mehrere Zwift-Rennen hinter sich, das Virtuelle ABSA Cape Epic war sein erstes MTB-Rennen auf der Rolle. Er hatte sich nach den Erfahrungen der Zwift-Straßenrennen eine vielversprechende Taktik zurechtgelegt: Denn Zwift bildet über den Widerstand auf der Rolle nicht nur Steigungen und Gefälle, sondern auch den Windschatteneffekt ab. „Du sparst da schon einige Watt an Leistung“, erzählte Geismayr, „wenn Du nicht vorne im Wind fährst. Wenn Du attackierst, musst Du schon über 500 Watt treten, um ein, zwei Sekunden herauszufahren, wenn die anderen hinten voll weiterfahren.“ Und noch etwas bildet Zwift realitätsgetreu ab: auf dem Fernseher vor dem Sportler sind nicht nur die Rückseiten der anderen Sportler zu sehen, sondern auch den aufgewirbelten Staub und die 800 Amateure, die acht Minuten vor den männlichen Profis gestartet sind. „Da siehst Du ohnehin schon nicht wirklich, wer da gerade vor Dir ist, und dann ist das eben auch noch durchmischt mit den Amateurfahrern.“ Aber Geismayr konnte im Windschatten immer den Anschluss halten und so viele Körner für den Sprint sparen: „Da musst Du voll sprinten, genauso wie draußen auch. Und Du brauchst ein gutes Timing. Das ist auch etwas Erfahrungssache, wann Du den Sprint anziehst. Da fehlt mir noch etwas die Erfahrung“, musste der 31-Jährige einräumen.

Leider haben die Veranstalter nur die Ergebnisliste der Top 10 veröffentlicht. Bei den Männern ist da allerdings kein deutscher Sportler zu finden. Der Gewinner des realen Cape Epic Karl Platt vom Team Bulls erreichte nach eigenen Angaben das Ziel 45 Sekunden nach der Spitzengruppe, gemeinsam in einer Verfolgergruppe mit den beiden Schweizern Nicola Rohrbach (Goldwurst) und Christoph Sauser (Specialized). Für ihn (wie auch für Geismayr und Becking) war es die ideale Vorbereitung auf die Etappenrennen in Spanien, die in den kommenden Wochen stattfinden sollen: das Mediterranean Epic, das am 25. März beginnen wird, und das Volcat mit Start am 1. April 2021, auch wenn Platt auf einen Start beim Mediterranean verzichtet. Sein Teamkollege Simon Stiebjahn, der dazwischen noch den Bundesliga-Auftakt in Obergessertshausen bestreitet, musste schon sechs Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen: „Ich war echt am Limit.“ Aber immerhin konnte er seinen Nachbarn nach der der halben Strecke überholen. Der hatte wie 800 andere Amateure auch die ersten vier Etappen des virtuellen Absa Cape Epic bestritten und damit das Recht erworben, acht Minuten vor den Profis zu starten.

Simon Stiebjahn © Lynn Sigel / EGO-Promotion
Simon Stiebjahn
© Lynn Sigel / EGO-Promotion

„Zwift-Rennen sind eine gute Option, die rennfreie Zeit zwischen November und Februar abwechslungsreicher zu gestalten, wenn man keine Cross-Rennen fahren will“, erzählte Stiebjahn. „Jetzt freue ich mich aber auf die Rennen draußen, den Kampf Mann gegen Mann. Es ist ein positives Signal für den Sport, dass der Bundesliga-Auftakt wie geplant stattfinden kann“, so Stiebjahn, der selbst Orga-Chef beim Bundesliga-Finale in Titisee-Neustadt ist. „Es ist wichtig für die Motivation der anderen Veranstalter, dass der MES Wiesenbach gezeigt hat, dass hochklassige MTB-Veranstaltungen möglich. Auch wenn Cross-Country für mich nicht die oberste Priorität hat: wie das Zwift-Rennen werden die Rennen in Krumbach und Obergessertshausen ein guter Formcheck sein und mir noch ein bisschen Wettkampfhärte vor den Etappenrennen in Spanien vermitteln.“

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