Weltcup Lenzerheide Nachgedreht (2): Gegner studieren, Gegner schlagen
Zwei interessante Perspektiven vom Weltcup in Lenzerheide. Gunn-Rita Dahle-Flesjaa (Multivan-Merida) erklärt mit welcher Strategie sie Jolanda Neff (Stöckli Pro) geschlagen hat. Nino Schurter (Scott-Odlo) hat scheinbar ein spezielles Verhältnis zu Rennen auf Schweizer Boden und zu seinem tschechischen Kontrahenten Jaroslav Kulhavy (Specialized). Den Weltcup in Lenzerheide nachgedreht, die zweite Runde.
Gunn-Rita Dahle-Flesjaa ist schon lange ein Fall für die Geschichtsbücher, aber noch lange nicht Geschichte. Mit dem 29. Weltcup-Erfolg steht sie jetzt bei den Damen alleine an der Spitze. Dass sie es fertig gebracht hat, innerhalb von acht Tagen Marathon-Weltmeisterin zu werden und einen Weltcup zu gewinnen, darf man auch als Kunststück bezeichnen. Zudem noch auf zwei Kursen, die ein so extrem unterschiedliches Anforderungs-Profil aufweisen.
Wie sie das mit Ehemann und Coach Kenneth Flesjaa umgesetzt hat, erklärte sie gegenüber acrossthecountry.net so: „Es war extrem wichtig, sich gut zu erholen. Kenneth ist vielleicht einer der erfahrensten Trainer mit diesen Dingen, an alle Details zu denken, wenn es um Erholung geht. Er ist deshalb vielleicht noch glücklicher als ich über diesen Erfolg.“
Am schwachen Punkt attackiert
Und dann fügte sie noch die interessante taktische Komponente hinzu, mit der sie Favoritin Jolanda Neff letztlich in entscheidende Schwierigkeiten brachte.
„Catharine (Pendrel) und ich wussten, dass Jolanda einen schwachen Punkt hat, wenn sie am Anfang über ihr Limit geht. Sie braucht dann einen Punkt im Rennen, wo sie langsamer fahren kann. Genau da haben wir beide sehr hart attackiert. Wir haben einen Vorsprung heraus gefahren und waren erfolgreich.“
Tatsächlich sprach auch Neff in ihren Kommentaren davon, dass sie dem Tempo der beiden nicht folgen konnte.
„Wenn du deinen Gegner schlagen willst, musst du ihn studieren“, sagte erklärte Dahle-Flesjaa. „Wir haben den anderen Damen gezeigt, dass Jolanda nicht unschlagbar ist. Es gibt auch noch ein paar andere, die das können. Wir haben eine sehr hohe Leistungsdichte.“
Nino Schurter und die Rennen auf heimischem Boden
Nicht nur bei den Damen, auch bei den Herren klappte es nicht mit dem erhofften Schweizer Sieg. Der platte Hinterreifen von Nino Schurter entschied das Duell mit Jaroslav Kulhavy (Specialized Racing) bevor es zum echten Show-Down kam.
Obwohl Scott-Odlo-Mechaniker Yanick Gyger in rekordverdächtigen 18 Sekunden das Hinterrad tauschte, bot sich Schurter keine Chance mehr in den verbleibenden 1,5 Runden heran zu kommen. Bei Julien Absalon dauerte der Tausch übrigens auch nur zwei Sekunden länger, aber der hatte schon zu viel Zeit verloren, ehe er überhaupt an die Techzone kam.
Schurter selbst verwies am Sonntag mit einem Lachen auf den Umstand, dass er bei großen Events vor heimischer Kulisse bisher nie einen Sieg landen konnte. 2003 bei der WM in Lugano wurde er bei den Junioren Zweiter – hinter dem ein Jahr älteren Jaroslav Kulhavy. 2011 bei der WM in Champéry wurde Zweiter – hinter Jaroslav Kulhavy. 2013 wurde er bei der EM in Bern Zweiter – nein, nicht hinter Kulhavy, sondern hinter Absalon. Und jetzt also beim Weltcup in Lenzerheide – wieder hinter Kulhavy.
Die direkten Duelle…
…mit dem Tschechen gehen für Nino Schurter meistens nicht gut aus, zumindest wenn es um den Sieg geht. Jaroslav Kulhavy hat jetzt neun Weltcup-Erfolge auf seinem Konto. Achtmal gewann er, ja genau: vor Nino Schurter. Und dann auch noch die WM 2003 und 2011 (siehe oben) sowie die Olympischen Spiele 2012.
Immerhin, einmal, 2012 in Nove Mesto, konnte Schurter dem Tschechen vor seinem Heimpublikum im direkten Duell um den Sieg eine Niederlage zufügen.
Vielleicht ist das alles ja aber auch nur ein Fall für Dr. Zufall und völlig unbedeutende Statistik? Man darf jedenfalls gespannt sein, was die nächsten Runden in Mont Sainte Anne und Windham bringen.