Weltcup Stellenbosch Nachgedreht: Nicht totzukriegen und nicht zu glauben

Eine Schweizer Serie reißt und eine Skandinavische beginnt

 

Cross-Country lebt. Hat man in Stellenbosch gesehen und gehört. Helen Grobert und die schnelle letzte Runde. Mit einem Wunsch ins Bett gehen ist eines, ihn sich zu erfüllen unglaublich. Nicht nur Nino Schurters Serie reißt. Dafür beginnt Annika Langvad eine andere. Die Skandinavier sind im Süden die Sieger. Glückliche und unglückliche Schweizer. Ein bewegter Teamchef genießt Glückseligkeit. Ein Comeback endet erst mal nicht erfolgreich. Nachgedreht vom Mercedes-Benz Weltcup in Stellenbosch, was hier noch nicht geschrieben stand.

 

 

„Yeah, cross country mountain bike racing is dead“. Diesen Tweet, mit einem Tränen lachenden Smiley, gepaart mit einem Foto vom Zielsprint der Herren, setzte Simon Burney am Sonntag in die Welt. Wahrscheinlich hat es der UCI MTB-Koordinator in jüngerer Vergangenheit solches öfter mal zu hören bekommen und kontert das jetzt mit diesem Bild, respektive einem Event, der das pure Gegenteil verkündet.

Eine schwierige Phase im Geschäft ist nicht zu verleugnen, doch der Sport selbst und die Events sind vitaler, besser präsentiert und aufregender denn je.

Das belegte auch die Premiere des Stellenbosch-Weltcups eindrucksvoll. Die Veranstalter rechneten aus ihren Messungen an den Eingängen 20.000 Zuschauer hoch. Wie viel auch immer, es waren sehr viele und die Stimmung war grandios.

Der Eintritt war kostenlos, die Stimmung alles andere als reserviert und in Verbindung mit den aufregenden Rennen und dem interessanten Kurs war der Event ein Spektakel. „Werbung für den Mountainbikesport auf höchstem Niveau“, nannte Mike Kluge das.

Gilt auch für die Organisation. „Grand Stand Management“ versteht was davon und hat das Know-How vom Cape Epic auf den Weltcup übertragen.

Ja, ja, Cross-Country ist tot. Wahrscheinlich zum xten Mal wiederauferstanden. Und sehr gut vorstellbar, dass die olympische Disziplin jetzt auch Südafrika eine große Nummer wird. Bisher war das dort dem Marathon-Sport vorbehalten. „Es ist für uns wichtig den Weltcup hier zu haben. Ich hoffe, die Sponsoren sehen jetzt, dass es sich auch lohnt mehr in Cross-Country zu investieren“, meinte die mit einem Deutschen verheiratete Südafrikanerin Cherie Redecker.

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Die schnellste Runde des Damen-Rennens lieferte Siegerin Annika Langvad (Specialized Racing). In 15:09 Minuten steht sie in diesem Ranking ganz oben, sieben Sekunden vor Pauline Ferrand Prevot (Canyon-Sram). Die erste Runde fällt als Maßstab weg, weil sie anders und länger gestrickt war. In der zweiten wurden die schnellsten Zeiten gefahren. Danach forderte der Kurs wohl Tribut, die ständigen kurzen „Kicker“ machen müde.

Umso erstaunlicher, wozu Helen Grobert (Cannondale Factory Racing) in der Schlussrunde in der Lage war. Sie fuhr die schnellste Schlussrunde und die gleiche Zeit wie Ferrand Prevot in Runde 2:15:16 Minuten.

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An das Duell bei den Herren wird man sich bestimmt noch länger erinnern. Sam Gaze (Specialized Racing) , immerhin mit Startnummer 30 gar nicht so günstig ins Rennen gegangen, lieferte sich den Zweikampf mit Nino Schurter (Scott-Sram), den man eigentlich Mathieu van der Poel zugetraut hätte. Betrachtet man die Zielgerade, dann sah es eigentlich nach Dreikampf aus, doch Maxime Marotte (Cannondale Factory Racing) war der bedauernswerte hintere Teil einer Ziehharmonika. Der Franzose kämpfte wie ein Berserker, war bisweilen Profiteur der taktischen Spielereien zwischen dem Führungsduo, um dann wieder abgehängt zu werden. 200 Meter vor dem Ziel fand er beinahe noch mal den Anschluss und hätte um ein Haar noch ins Sprint-Duell eingreifen können.

Bei Sam Gaze stellten sich laut eigener Aussage in der vorletzten Runde Krämpfe ein, doch der Neuseeländer ließ sich nicht unterkriegen. „Den Sprint zu gewinnen, hat mich fassungslos gemacht. Du träumst immer davon, dass du es schaffen kannst, du gehst ins Bett mit dem Wunsch, dass du es kannst. Es zu schaffen, das ist aber unglaublich“, kommentierte Gaze seinen ersten Weltcupsieg.

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Wenn geträumte Wünsche in Erfüllung gehen: Sam Gaze ©Ewald Sadie

 

Bemerkenswertes aus der Statistik-Abteilung: Es gab keinen Schweizer Sieg an diesem Weltcup-Wochenende. Das ist zum letzten Mal 2014 in Albstadt passiert. Seither stand bei einem der vier Rennen immer mindestens einmal eine Schweizerin oder ein Schweizer ganz oben auf dem Podest. Aber von enttäuschenden Resultaten für die Fahrer mit dem weißen Kreuz kann nicht die Rede sein.

Drei Damen unter besten Zehn, vier Herren unten den besten Zehn, respektive fünf unter den besten Zwölf, das ist Beleg genug für die fortdauernde Vormachtstellung der Schweizer.

Die Dänen feierten in Stellenbosch dagegen zwei Siege, den von Annika Langvad und den von Malene Degn (siehe unten). Und wenn wir schon bei den Skandinaviern sind: Die landeten durch den Norweger Petter Fagerhaug einen weiteren Erfolg.

In Sachen Serie hat Annika Langvad jetzt auch eine begonnen: Dreimal hintereinander hat sie jetzt jeweils den Auftakt-Weltcup gewonnen.

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Dritter Auftakt-Sieg in Folge: Annika Langvad ©Andrew McFadden/EpicWorldCup

Florian Vogel kämpfte lange um den fünften Spot auf dem Podium, doch es war der Franzose Titouan Carod (BMC Racing), der sich aus der Verfolgergruppe absetzte und schließlich Fünfter wurde.

„Wenn man mir das vor zwei Monaten gesagt hätte, dann wäre ich sicherlich zufrieden gewesen“, kommentierte der Europameister seinen siebten Platz mit Blick auf die Querelen um das Team Focus XC. „Aber jetzt bin ich es doch nicht so ganz. Ich hatte seit gestern auch Probleme mit dem Magen und konnte nicht richtig essen. Insofern habe ich das Optimum rausgeholt. Aber es liegt definitiv mehr drin dieses Jahr.“

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Sein Schweizer Landsmann Mathias Flückiger (Thömus RN Racing) wurde Neunter. Damit war er nicht unzufrieden, weil er sich am Tag zuvor einen Trainingssturz leistete, der eine „riesengroße Prellung am Oberschenkel“ zur Folge hatte. „Ich weiß nicht wieso, normalerweise fühle ich mich technisch stark, aber in den letzten zwei Tagen war ich nicht ich selbst. Ich konnte kämpfen und bin deshalb unter diesen Umständen zufrieden“, konstatierte er.

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Er gewann den Kampf Rang fünf: Titouan Carod ©Armin M. Küstenbrück/EGO-Promotion

 

Die positive Überraschung aus Schweizer Sicht war Andri Frischknecht (Scott-Sram), der als Zehnter erstmals eine Top-Ten-Platzierung einfuhr. Endlich mal ohne Verletzung und Krankheit durch den Winter gekommen, fuhr der 24-Jährige ein sehr konstantes Rennen. „Eigentlich dachte ich schon letztes Jahr, dass ich weiter vorne mitfahren kann. Aber nach dem Cape Epic war ich ein bisschen müde, ich bin auf jeden Fall zufrieden damit“, kommentierte Frischknecht.

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Dagegen saß der WM-Dritte Thomas Litscher (jb Brunex Felt) nach dem Rennen wie ein Häufchen Elend an der Bande. 34. Platz. Einmal hatte er angehalten, um die Höhe des Sattels zu verstellen. Allerdings nicht weil er verrutscht war. Es war der verzweifelte Versuch sich dadurch eine alternative Sitzposition zu verschaffen, die ihm seine Probleme mit der Hüfte lindern könnte. „Manchmal hilft das“, erklärte Litscher im Ziel völlig deprimiert. Diesmal aber nicht.

„Rechts und links sind einfach nicht gleich“, schüttelte er den Kopf. Ungleicher Druck auf die Pedale, eine Disbalance mit der es nichts werden kann. Was ihn zermürbt ist der Umstand, dass er wie schon im Vorjahr damit kämpft und „im Moment nicht weiß“, wie er es in den Griff bekommt.

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Auch das Schrauben half nichts: Thomas Litscher ©Erhard Goller

 

Von Ondrej Cink (Primaflor-Mondraker) war bei seinem Comeback im Weltcup wenig zu sehen. Er wurde nur 40. Das hatte zwei Gründe. Erstens kam er aus der letzten Startreihe. Und: „Ich habe mich die ganze Woche schon nicht so gut gefühlt. Ich habe mir beim Flug hierher wohl eine Erkältung geholt“, so Cink.

Zum Punkte sammeln hat er sich als nächstes Rennen die Kamptal Klassik in Langenlois ausgesucht. „Wenn ich gesund bin“, schränkte er ein.

Im Gespräch mit acrossthecountry.net machte er noch mal klar, warum er von der Straße wieder zurück aufs Mountainbike wechselte. „Klar, du kannst mehr Geld verdienen. Aber es hat mir keinen Spaß gemacht. Seit ich Rennen fahre, will ich gewinnen und auf der Straße musst du das oft der Team-Taktik opfern“, sagt Cink, der immer als angriffslustiger Fahrer gegolten hat.

Auf der anderen Seite zähle im Straßenrennsport nur der Sieg, bei Klassikern oder bei Etappenrennen in der Gesamtwertung vielleicht auch noch das Podest.

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Vereinte Freude: Sina Frei (im Regenbogenjersey) und Malene Degn ©Andreas Dobslaff

 

Eine Runde Glückseligkeit gab es für das Team Ghost Factory Racing im U23-Rennen der Damen. Einen Doppelsieg im Weltcup, das hat es für die Equipe aus dem bayrischen Waldsassen bisher noch nicht gegeben. Als Malene Degn als Gewinnerin der Auftaktrunde und kurz danach Sina Frei die Ziellinie als Zweite überquerte, da war Team-Manager Tom Wickles doch, nun ja, ziemlich gerührt.

„Gerade weil sie 2017 ein schwieriges Jahr hatte,..“, meinte er im Blick auf Degn. „Dass es gleich beim ersten Rennen zum gewinnen reicht, das hätte ich mir nicht erträumen lassen“, sagte Degn zum ersten Weltcupsieg überhaupt für das Team in der Cross-Country-Disziplin. Ihre Teamkollegin Frei freute sich mit und sprach von „ein paar Fehlern“, die sie gemacht hätte und dass sie „mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache gewesen sei.“

Dass Lisa Pasteiner bei ihrem ersten U23-Weltcup als Achte im Ziel aufkreuzte, machte für Ghost das Geschehen perfekt.

Im Damen-Rennen hätte Barbara Benko beinahe das Glück perfekt gemacht. Vier Runden lang lag sie auf Top-Ten-Kurs, doch dann stürzte sie und beschädigte sich dabei die Sattelstütze. Der Tausch ging zwar super schnell über die Bühne, doch die Benko fiel dadurch noch auf Rang 16 zurück. „Schade, dass ich es nicht ins Ziel gebracht habe, aber die Form ist da“, meinte Benko.

 

 

 

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