Henrique Avancini: „Ich bin schneller als je zuvor“

Vor einer Woche gewann der Brasilianer das Finale des Strabag Czech Cups in Brünn

Immer mehr Fahrer aus Übersee treffen in Europa ein, um sich zu akklimatisieren, das Jetlag zu überwinden, mögliche kurzfristigen Quarantäne-Auflagen zu vermeiden und sich so auf den kommenden Doppel-Weltcup in Nove Mesto na Morave und die unmittelbar darauf folgende Weltmeisterschaft im österreichischen Saalfelden-Leogang vorzubereiten.

Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020 © Michele Mondini
Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020
© Michele Mondini

Einer von ihnen ist Henrique Avancini vom Cannondale Factory Racing Team, der vor zehn Tagen aus seiner Heimat Brasilien nach Tschechien reiste, um sich optimal auf die anstehenden Aufgaben vorzubereiten. Und dass der 31-Jährige durchaus Ambitionen auf eine Medaille bei den Weltmeisterschaften hat, hat der ehemalige Marathon-Weltmeister (2018) und Überraschungssieger von Münsingen 2013 beim Finale des Strabag Czech Cups im tschechischen Brünn (Brno) mit einem Sieg vor seinem französischen Teamkollegen Maxime Marotte eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020 © Michele Mondini
Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020
© Michele Mondini

Zwar musste er bei seinem ersten Rennen seit Monaten erst wieder in den Rennmodus finden, „und das mit 1,5 kg mehr Gewicht nach der langen Reise, vor allem durch das viele Trinken beim Fliegen.“ Aber nachdem er sich in den ersten Runden mit dem EM-Kurs von 2019 vertraut gemacht hatte, fand er seine „Pace“, verstand den Kurs und wie die anderen Sportler ihn so fuhren. Die Spitzengruppe wurde immer kleiner und auf den letzten beiden Runden war es dann nur noch Marotte, der mit dem Brasilianer mithalten konnte. „Ich war dann wohl ein bisschen stärker als er“, resümierte Avancini im Gespräch mit acrossthecountry.net eine Woche nach seinem Sieg. „Ich bin technisch gut gefahren, hatte eine gute Performance und war auch die ganze Zeit über fokussiert auf das Rennen“, fasste er seine Beobachtungen über sich selbst zusammen: „Die Zeit zuhause hat sich ausgezahlt – und es war wirklich ein guter Start für meinen Europa-Trip.“

Corona: Zum Training und zur Zeit mit der Familie genutzt
Avancini nutzte die Zeit der Corona-Pandemie im brasilianischen Herbst und Winter für Training, „besonders Mental-Training und biomechanisches Training“, wie er es ausdrückte. „Die Zeit zuhause war sehr produktiv für mich. In der Vergangenheit verlor ich sehr viel Zeit durch das ständige Reisen, vor allem auf Kosten der Vorbereitung und der Erholung.“ Jetzt konnte sich der 31-jährige Familienvater endlich auch einmal intensiv um seine kleine Tochter kümmern. „Corona hat im Allgemeinen sicher sehr heftige negative Auswirkungen bei uns in Brasilien. Zum Glück war die Situation in meiner Heimatstadt [Petropolis] immer unter Kontrolle und sicher. Daher war die Zeit für mich dort eine große Chance. Ich konnte viel trainieren, was mir sowohl für die nahe und auch die ferne Zukunft helfen sollte.“

Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020 © Michele Mondini
Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020
© Michele Mondini

Aktuell: Techniktraining mit Kenta Gallagher
Aber auch jetzt, nach seiner Rückkehr nach Europa, trainiert Avancini weiter, überbrückt die Zeit bis zum Weltcup-Start am 29. September bereits im tschechischen Nove Mesto: „So vermeiden wir viel Reiserei und gehen auch keine Risiken wegen Corona ein“, sagt Avancini. Dabei wird er gar nicht so sehr auf der Strecke trainieren. „Das mag ich gar nicht so sehr. Die Strecke ändert sich ja auch, wenn die vielen Fahrer im Training über den Kurs fahren.“ Stattdessen feilt Avancini zusammen mit einem Mechaniker, einem Physiotherapeuten und dem ehemaligen Cross-Country- und späteren Downhill-Fahrer Kenta Gallagher als Techniktrainer am Feintuning: „Mit Kenta bin früher oft gemeinsam Rennen gefahren. In den Anstiegen war ich immer schneller als er, aber bergab hat er mich abgezogen“, lacht der Brasilianer, der die Fähigkeiten des drei Jahre jüngeren Briten neidlos anerkennt. Daneben testet die kleine Gruppe natürlich auch das Setup der Cannondale-Bikes, experimentieren mit unterschiedlichen Reifendrücken usw.

Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020 © Michele Mondini
Henrique Avancini beim Strabag Czech Cup in Brno / CZE 2020
© Michele Mondini

„Ich bin in den vergangenen Jahren ein reiferer Fahrer geworden. Ich bin heute schneller als jemals zuvor. Ich bin in einer besseren Form. Mein Kopf ist frei. Jetzt muss ich noch lernen, die großen Rennen zu gewinnen“, lässt uns Avancini in seine Gedankenwelt blicken. „Jetzt ist die Chance dazu. Ich habe schon Shorttrack-Rennen beim Weltcup gewonnen, ich wurde Marathon-Weltmeister, aber ich konnte noch nie ein großes Cross-Country-Rennen über die olympische Distanz gewinnen. Ich weiß, dass ich alles habe, was ich brauche, um Ergebnisse zu liefern. Aber es ist ein Lernprozess. Ich muss lernen, wie ich nun diese Ergebnisse liefern kann. Ich werde alles geben, um zu gewinnen.“

Ergebnisse Czech Cup Brno

Acrossthecountry.net-Gründer Erhard Goller führte im September 2018 ein ausführliches Interview mit dem brasilianischen Spitzensportler, Armin M. Küstenbrück zwei Wochen später, nachdem Avancini Marathon-Weltmeister geworden war.

Facebook Auto Publish Powered By : XYZScripts.com